Montag, 1. Februar 2010

ein Dach fuer Hilfsbeduerftige

Landstrasse Guadalajara – Nogales, km 17.5. Da liegt dieses Dorf La Venta del Astillero, mit ca. 5,000 Einwohnern kein Ort wo Durchreisende gerne stehen bleiben, es sei denn fuer die Reise ein Six-Pack Bier, Coca Cola oder irgendeinen Snack zu kaufen. Immerhin ist es die Hauptverkehrsader in den Norden des Landes, nach Nayarit, Puerto Vallarta, die Pazifik Route nach Mazatlán, Sinaloa, Guaymas u. Hermosillo, Sonora, bis rauf nach Tijuana u. Nogales.




Von Guadalajara bis Tijuana sind es 2,270 km. Fuer die Menschen die aus dem Sueden kommen um das “Paradies” auf der anderen Seite der Nordgrenze zu finden muss man noch 1,725 km bis Tapachula im Sueden die Grenze nach Guatemala dazu zaehlen, plus all die kms, von den Orten aus Zentral-America, woher ebenfalls ein grosser Teil der Immigranten kommen. All dieser Strom bewegt sich gegen Norden nach Tijuana oder Nogales um irgendwie die Grenze nach USA zu ueberwinden, um dort das zu finden was ihnen in ihrer Heimat verwehrt blieb. Und sind viele Menschen auf ihrer Reise in den Norden noch optimistisch, spaeter dann, diejenigen welche beraubt, das Geld von Coyotes (Schleusern) abgeknoepft, von der Immigrationsbehoerde in den USA gefasst u. wieder abgeschoben wurden, bewegen sich dann wieder suedwaerts, pessimistisch, gestrandet …… Und ein Grossteil dieser Leute kommen irgendwann auf ihrem Weg wieder durch La Venta del Astillero.




Vor 23 Jahren entschloss sich Doña Elvira, eine Bewohnerin dieses Dorfs etwas fuer ihre Mitmenschen zu tun. Sie ist Christin, katholisch, Christ sein bedeudete fuer sie mehr als nur jeden Sonntag zur Messe zu gehen u. den Rosenkranz zu beten. Elvira zaehlt nicht zu den Armen des Dorfs, sie hat zwei Restaurants, ein paar Laeden, Haeuser , Grundstuecke. Zusammen mit anderen fuenf Damen des Dorfs u. unter Mithilfe des Pfarrers der Gemeinde, gruendeten sie eine kleine gemeinnuetzige Organisation. Man schloss sich dazu auch einer internationalen Gemeinschaft an, der Mission San Vicente de Paul. Vinzenz von Paul war ein Priester des 17. Jahrhunderts in Frankreich u. gilt als Begruender der neuzeitlichen Caritas. Dabei wurde insbesondere sein Engagement für Kranke, Bettler, Findelkinder, verwahrloste Jugendliche, Geisteskranke, Sträflinge, Flüchtlinge und Vertriebene gewürdigt. Es ist ein Frauen Orden, weltweit etwa 4.500 Vinzentinerinnen im Orden u. noch viel mehr Frauen die als Laien wie Doña Elvira u. ihre Bekannten fuer diese Sache arbeiten. Die Vinzentinerinnen waren auch das Vorbild für die von Mutter Teresa gegründete Ordensgemeinschaft Missionarinnen der Nächstenliebe.





Doña Elvira stellte also ein Grundstueck bereit, kaufte Ziegelsteine, Zement, eben alles was man braucht ein Gebaeude hoch zu ziehen u. baute eine kleine Herberge mit 6 Zimmern fuer 15 Betten. Das meiste aus ihrer eigenen Tasche u. der ihrer fuenf Mitstreiterinnen finanziert. Reisende ohne Geld, welche durch das Dorf kommen u. betteln werden von den Bewohnern auf diese Herberge hingewiesen, sie bekommen Einlass, wenn sie nicht unter Alkohol-oder Drogeneinfluss stehen, bekommen ein warmes Essen, koennen sich waschen u. bekommen ein Bett. Die meisten bleiben nur eine Nacht, andere bis zu einer Woche, man versucht ihnen kurzfristig eine Arbeit zu vermitteln, damit sie mit etwas Geld weiter ziehen koennen. Oder wenn ein Fall besonders tragisch ist, zieht Elvira auch mal ihre Boerse u. kauft dem Gestrandeten ein Bus-Ticket, damit er in sein Heimatdorf kommen kann.

Ich erlaubte mir sie zu fragen wieviel sie ungefaehr mit ihren Bekannten im Monat fuer den Unterhalt dieses Sozial Projekts aus eigener Tasche bezahlt. Sie laechelte nur u. gab mir eine sehr weise Antwort: „mit Jesus Christus zaehlt man kein Geld u. macht auch keine Abrechnungen“


Die beiden Alten

Im Dorf wohnten zwei Alte in einer Bruchbude, Don Andres, 94 Jahre alt u. seine Frau Doña Lupe, 87. Sie zaehlen zu den Aermsten des Dorfs, beide sind krank, kein Asyl in Guadalajara wollte sie aufnehmen. Zwei Kinder die sie hatten, ein Sohn der letztes Jahr auf der Landstrasse ueberfahren wurde u. den man in der Herberge aufbahrte, seine Totenmesse las u. ihn auf Kosten Doña Elvira beerdigte, die Tochter will nichts von ihren Eltern wissen, hat schon seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr mit ihnen. Doña Elvira stellt ihnen seit zwei Jahren ein Zimmer in ihrer Herberge zur Verfuegung, klein, sauber u. gibt ihnen das Essen, sie koennen bis zu ihrem letzten Tag dort wohnen. Sorgt sich auch um die medizinische Versorgung u. den Medikamenten der beiden. Das Schicksal von Don Andres ist besonders schlimm. Ist vor einem Jahr hingefallen u. sich die Huefte gebrochen. Bekam eine Metallplatte, fiel wieder hin, er ist zu alt ..... Der Arzt machte jetzt gar nichts mehr, ein Bein haengt jetzt lose in der Huefte, er kann nicht mehr aufstehen, liegt nur noch im Bett u. ist 100% von anderen Menschen abhaengig. Seine Frau sitzt auch im Rollstuhl, leidet an Schlaflosigkeit, weint den ganzen Tag lang, Elvira erzaehlte mir, dass sie einen Mann als Pfleger hatten, der Mann war vom Dorf, ein Tier wie sie sagte, er fing die beiden Alten zu hassen an u. schlug sie wenn sie ihr Wasser im Bett nicht halten konnten oder sich mit dem Essen beschmutzten.



Das Zimmer das Elvira ihnen gegeben hat um ihre letzten Tage zu verbringen ist klein aber sehr hell, sauber u. immer aufgeraeumt. Die Betten immer frisch gemacht. Auch das Essen ist gut. An der Wand haengt ein Bild der beiden als sie noch jung waren u. bessere Zeiten sehen konnten


Roberto



Fuer Roberto gab es eigentlich nur zwei Moeglichkeiten zur Grenze in den Norden zu kommen. Auf dem Dach eines Gueterzugs oder per Anhalter. Er zog die Landstrasse vor. Auf den Daechern der Zuege ist es gefaehrlich sagte er. Zuviele Leute aus Centro-Amerika, zuviele Mara Salvatrucha (gefaehrliche Jugend-Killerbanden aus El Salvador u. Honduras), welche Mexico durchqueren. Die schliessen sich zusammen u. ueberfallen die Leute die ihnen entgegen kommen auf ihrem Weg in den Norden. Schon viele Tramper auf den Zuegen welche ihre Reise mit dem Leben bezahlten. Mit den Maras ist nicht zu spassen sagte er, die sind auf Geld der Illegalen aus, die rammen Dir ein Messer rein u. werfen Dich anschliessend vom Dach des Zugs.


Roberto kommt urspruenglich aus einem kleinen Dorf in Michoacán. Von Beruf ist er Maler sagte er, genauer gesagt Plakatmaler. In dem Dorf aus dem er kommt gibt es wenig Arbeit. Sein Vater waere schon vor Jahren verstorben, hat noch eine Mutter fuer die er sorgen muss.

2005 versuchte er zum ersten mal ueber die Grenze nach Californien zu gehen, er fuhr per Anhalter mit LKW´s mit, die Reise dauerte 30 Tage. Da er ohne Geld los fuhr, blieb er in groesseren Ortschaften haengen um Geld fuer sein Essen zu verdienen. Meistens als Hilfsarbeiter am Bau, einmal konnte er ein paar Werbetafel in Sonora malen, man bezahlte ihn fuer diesen Job 500 Pesos. In Tijuana angekommen brauchte er eine Woche um sich genau umzusehen wie er es im Alleingang schaffen koennte ueber die Grenze zu kommen. Nicht einfach erzaehlte er mir. Da er keine 1,500 Dollars hatte um sie einem Coyote zu geben war er auf sich alleine angewiesen. Das ist gefaehrlich, das Risiko beginnt bereits im Umland von Tijuana Richtung Grenze, die Schleuser sind Banden die sich als Monopol fuer den illegalen Grenzuebertritt verstehen, Leute die es auf eigene Initiative versuchen werden schnell Opfer von Ueberfaellen. Er schaffte es trotzdem, ging bei Nacht rueber u. kam anschliessend bis Los Angeles. Dort suchte er einen Kontakt, den man ihm in Michoacan gegeben hatte, man half ihm mit einen Job am Bau, spaeter als Erntehelfer. Von seinem Kontakt wurde er auch jeden Samstag bezahlt, mit dem Lohn ging er jede Woche zu Western Union um einen Teil seines Geld heim nach Michoacan zu schicken. Er selbst behielt das noetigste, das er zum Leben brauchte. Nach zwei Jahren wurde er von Beamten der U.S. Migra zusammen mit anderen Illegalen in einer Fabrik entdeckt, nach einer Woche Gefaengnis gings wieder zur Grenze nach San Ysidro, wo er abgeschoben wurde. Man liess ihm aber seine paar Dollars mit denen er sich ein Bus-Ticket bis zu seinem Dorf in Michoacán kaufen konnte. Mitte 2008 versuchte er es dann ein zweites mal. Wieder bis Tijuana getrampt, mit ganz wenigen Pesos in der Tasche, mal hier u. da gejobbt. Diesmal erwischten sie ihn gleich nach dem illegalen Grenzuebertritt. Und diesmal war die U.S. Migra auch nicht mehr so nett. Sie hielten ihm vor, wenn er beim dritten mal erwischt wuerde, koennte er mit Gefaengnis von 2 bis 10 Jahren rechnen. Und fuhren ihn wieder zur Grenze nach Tijuana. Er hatte die Nase von “la United” voll, blieb noch ein paar Wochen in TJ u. machte sich auf den Rueckweg in den Sueden, so gut wie ohne Geld. So kam er irgendwann mal durch das Dorf La Venta del Astillero, einige km vor Guadalajara. Da er abgebrannt u. hungrig war klopfte er im Dorf an einigen Tueren, ob man ihm vielleicht etwas Geld oder Essen geben koennte. Irgendwer sagte ihm dass es in diesem Dorf eine Herberge gaebe, dort sollte er mal hingehen. Und so geschah es, dass er mit Doña Elvira in Kontakt kam, die ihm in diesem Haus erst mal eine anstaendige Portion Pozole gab, ein Bett fuer ihn bereit stellte, ihm zeigte wo er sich duschen kann u. ein Buendel neuer Kleidung gab. Und ihn fragte ob er nicht interresiert sei gutes Geld zu verdienen. Das war er u. Doña Elvira verschaffte ihm durch ihre Vermittlung eine Arbeit bei den Strassenerweiterungen welche gerade in- u. ausserhalb des Dorf statt fanden. Er konnte drei Wochen lang arbeiten, abends schlief u. ass er in der Herberge. Nach drei Wochen sagte ihm Doña Elvira dass sie einen guten Mann suche der immer im Asyl arbeiten wolle, den Ein- u. Ausgang der anderen Gaeste kontrollieren wuerde, damit sie im Asyl keinen Alkohol u. keine Drogen zu sich nehmen wuerden, nichts stehlen, fuer die Sauberkeit zustaendig waere u. vor allem auf die beiden kranken Alten, Don Andrés u. Doña Lupe aufpassen, ihnen das Essen geben , Don Andres die Windeln wechseln wuerde u. die beiden Alten unter keinen Umstaenden schlagen solle, wie frueher bereits vorgekommen, wenn sie sich mal voll kleckerten oder ins Bett machten.


Roberto sagt zu, ist jetzt ueber ein Jahr in dieser kleinen Institution, hat ein Dach ueber dem Kopf u. Essen, verdient ausserdem noch 800 Pesos die Woche, von deren er 100 fuer sich behaelt, die anderen 700 schickt er jede Woche nach Michoacan. Einmal bekam er jedoch Probleme, letztes Jahr im Herbst, erzaehlte er. Zwei Gaeste die an einem Spaetnachmittag kamen, er richtete ihnen ein Bett u. ein Essen her, um Mitternacht als er bereits schlief kamen sie in sein Zimmer, setzten ihm ein Messer an den Hals, raubten ihm seine 50 Pesos, gingen noch ins Zimmer der beiden kranken Alten u. nahmen deren Radio mit. Sperrten ihn in sein Zimmer ein u. flohen. Es waren keine Mexicaner sagte er, es waren Maras, er sah die Tatoos an ihren Armen. Er ist ein guter, anstaendiger Mann, der seit einem Jahr weiss was Naechstenliebe ist und sich in dieser Rolle wohl fuehlt (wie er es sagte) moeglicherweise hat er sogar seine Lebensaufgabe gefunden.......














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